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Hanns Heinz Ewers

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Die spinne

Abschnitt 4

6 Capítulos

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Sonntag, 13. März.

Heute morgen habe ich ein kleines Schauspiel gesehen. Ich ging im Korridor auf und ab, während der Hausknecht mein Zimmer in Ordnung brachte. Vor dem kleinen Hoffenster hängt ein Spinnweb, eine dicke Kreuzspinne sitzt darin. Frau Dubonnet läßt sie nicht wegfangen: Spinnen bringen Glück, und sie hatte gerade genug Unglück in ihrem Hause. Da sah ich, wie eine andere, viel kleinere Spinne, vorsichtig um das Netz herumlief, ein Männchen. Behutsam ging es ein wenig auf dem schwanken Faden der Mitte zu, aber so wie das Weibchen sich nur rührte, zog es sich schleunigst zurück. Lief an ein anderes Ende und versuchte von neuem, sich zu nähern. Endlich schien das starke Weibchen in der Mitte seinen Werbungen Gehör zu schenken, es rührte sich nicht mehr. Das Männchen zupfte erst leise, dann stärker an einem Faden, so daß das ganze Netz zitterte; aber seine Angebetete blieb ruhig. Da kam es schnell, aber unendlich vorsichtig näher heran. Das Weibchen empfing es still und ließ sich ruhig, ganz hingebend, seine zärtliche Umarmung gefallen; unbeweglich hingen sie beide minutenlang mitten in dem großen Netz.

Dann sah ich, wie das Männchen langsam sich löste, ein Bein ums andere; es war, als wolle es sich still zurückziehen und die Gefährtin allein lassen in dem Liebestraum. Plötzlich ließ es ganz los, und lief, so schnell es nur konnte, hinaus aus dem Netz. Aber in demselben Augenblicke kam ein wildes Leben in das Weibchen, rasch jagte es nach. Das schwache Männchen ließ sich an einem Faden herab, gleich machte die Geliebte das Kunststück nach. Beide fielen auf das Fensterbrett, mit dem Aufgebot all seiner Kräfte suchte das Männchen zu entkommen. Zu spät, schon faßte es mit starkem Griff die Gefährtin und trug es wieder hinauf in das Netz, gerade in die Mitte. Und dieser selbe Platz, der eben als Bett gedient hatte für wollüstige Begierde, sah nun ein ander Bild. Vergeblich zappelte der Liebhaber, streckte immer wieder die schwachen Beinchen aus, suchte sich zu entwinden aus dieser wilden Umarmung: die Geliebte gab ihn nicht mehr frei. In wenigen Minuten spann sie ihn ein, daß er kein Glied mehr rühren konnte. Dann schlug sie die scharfen Zangen in seinen Leib und sog in vollen Zügen das junge Blut des Geliebten. Ich sah noch, wie sie endlich das jämmerliche, unkenntliche Klümpchen – Beinchen, Haut und Fäden – loslöste und verächtlich hinauswarf aus dem Netz.

So also ist die Liebe bei diesen Tieren – nun, ich bin froh, daß ich kein Spinnenjüngling bin.

Montag, 14. März.

Ich werfe keinen Blick mehr in meine Bücher. Nur am Fenster verbringe ich meine Tage. Und wenn es dunkel ist, bleibe ich auch sitzen. Sie ist nicht mehr da, aber ich schließe die Augen und sehe sie doch –

Hm, dies Tagebuch ist wirklich ganz anders geworden, als ich es mir vorstellte. Es erzählt von Frau Dubonnet und dem Kommissar, von Spinnen und von Clarimonde. Aber nicht eine Silbe über die Entdeckung, die ich machen wollte. – Kann ich dafür?

Dienstag, 15. März.

Wir haben ein seltsames Spiel gefunden, Clarimonde und ich; wir spielen es den ganzen Tag lang. Ich grüße sie, sogleich grüßt sie zurück. Dann trommle ich mit der Hand gegen die Scheiben, sie sieht es kaum und schon beginnt sie auch zu trommeln. Ich winke ihr zu, sie winkt wieder; ich bewege die Lippen, als ob ich zu ihr spreche und sie tut dasselbe. Dann streiche ich von der Schläfe mein Haar zurück und schon ist auch ihre Hand an der Stirne. Ein richtiges Kinderspiel, und wir lachen beide darüber. Das heißt – eigentlich lacht sie nicht, es ist ein Lächeln, still, hingebend – genau so glaube ich selbst zu lächeln.

Übrigens ist alles nicht ganz so dumm, wie es den Anschein hat. Es ist nicht nur ein reines Nachmachen, ich glaube, das würden wir beide bald leid werden; es muß wohl eine gewisse Gedankenübertragung dabei eine Rolle spielen. Denn Clarimonde folgt meinen Bewegungen in dem kleinsten Bruchteil einer Sekunde, sie hat kaum Zeit, sie zu sehen und führt sie schon selbst aus; manchmal scheint es mir, als ob es gleichzeitig wäre. Das ist es, was mich reizt, immer etwas ganz Neues, Unvorgesehenes zu machen, es ist verblüffend, wie sie zugleich dasselbe tut. Manchmal versuche ich, sie aufs Glatteis zu führen. Ich mache eine Menge von verschiedenen Bewegungen schnell hintereinander; dann dieselben noch einmal und wieder. Schließlich mache ich zum vierten Male dieselbe Reihe, aber wechsle die Folge der Bewegungen oder ich mache eine anders, oder lasse eine aus. So wie Kinder, die »Alle Vögel fliegen« spielen. Es ist ganz merkwürdig, daß Clarimonde auch nicht ein einziges Mal eine falsche Bewegung macht, obwohl ich so schnell wechsle, daß sie kaum Zeit hat, jede einzelne zu erkennen.

Damit verbringe ich meinen Tag. Aber ich habe keine Sekunde das Gefühl, daß ich unnütz die Zeit totschlage; es ist mir im Gegenteil so, als ob ich nie etwas wichtigeres getrieben habe.

Mittwoch, 16. März.

Ist es nicht komisch, daß mir nie ernsthaft der Gedanke kommt, meine Beziehungen zu Clarimonde auf eine etwas vernünftigere Basis zu stellen, als diese stundenlangen Spielereien? Letzte Nacht dachte ich darüber nach. Ich kann doch einfach Hut und Mantel nehmen und hinuntergehen, zwei Treppen. Fünf Schritte über die Straße, dann wieder zwei Treppen. An der Türe ist ein kleines Schild, darauf steht »Clarimonde – –«. Clarimonde – was? Ich weiß nicht: was! aber Clarimonde steht da. Dann klopfe ich und dann –

Soweit kann ich mir alles genau vorstellen, jede kleinste Bewegung, die ich mache, sehe ich vor mir. Aber ich kann mir durchaus kein Bild machen, was dann weiter kommen soll. Die Türe öffnet sich, das sehe ich noch. Aber ich bleibe davor stehen und blicke hinein in ein Dunkel, das nichts, aber auch gar nichts erkennen läßt. Sie kommt nicht – nichts kommt; es ist überhaupt gar nichts da. Nur dieses schwarze undurchdringliche Dunkel.

Mir ist manchmal, als ob es eine andere Clarimonde gar nicht gäbe, als die ich dort am Fenster sehe und die mit mir spielt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie diese Frau aussehen würde im Hute oder einem anderen Kleide, als ihrem schwarzen, mit den großen lila Tupfen; nicht einmal ohne ihre Handschuhe kann ich sie mir denken. Wenn ich sie auf der Straße sehen sollte, oder gar in einem Restaurant, essend, trinkend, plaudernd – – ich muß ordentlich lachen, so unmöglich erscheint mir das Bild.

Manchmal frage ich mich, ob ich sie liebe. Ich kann das nicht recht beantworten, da ich ja noch nie geliebt habe. Ist aber das Gefühl, das ich zu Clarimonde habe, wirklich – Liebe, so ist sie jedenfalls ganz, ganz anders, als ich sie bei meinen Kameraden gesehen oder aus Romanen kennen gelernt habe.

Es wird mir sehr schwer, meine Empfindungen festzustellen. Es wird mir überhaupt schwer, an etwas zu denken, das sich nicht auf Clarimonde bezieht, oder vielmehr – – auf unser Spiel. Denn es läßt sich nicht leugnen, es ist eigentlich dieses Spiel, das mich immer beschäftigt, nichts anderes. Und das ist es, was ich am wenigsten begreife.

Clarimonde – – ja, ich fühle mich zu ihr hingezogen. Aber da hinein mischt sich ein anderes Gefühl, so, als ob ich mich fürchte. Fürchte? Nein, das ist es auch nicht, es ist eher eine Scheu, eine leise Angst vor irgend etwas, das ich nicht weiß. Und gerade diese Angst ist es, die etwas seltsam Bezwingendes, merkwürdig Wollüstiges hat, die mich von ihr abhält und doch näher zu ihr hinzieht. Mir ist, als liefe ich in großem Kreise weit um sie herum, käme hier ein wenig näher, zöge mich wieder zurück, liefe weiter, ginge an einer anderen Stelle vor und dann schnell wieder zurück. Bis ich endlich – und das weiß ich ganz gewiß – doch einmal hin muß zu ihr.

Clarimonde sitzt am Fenster und spinnt. Fäden, lange, dünne, unendlich feine Fäden. Sie macht ein Gewebe daraus, ich weiß nicht, was es werden soll. Und ich kann nicht begreifen, wie sie dies Netz machen kann, ohne immer wieder die zarten Fäden zu verwirren und zu zerreißen. Es sind wunderliche Muster in ihrer feinen Arbeit, Fabeltiere und merkwürdige Fratzen.

Übrigens – was schreibe ich da? Richtig ist, daß ich gar nicht sehen kann, was sie eigentlich spinnt; viel zu fein sind die Fäden. Und doch fühle ich, daß ihre Arbeit genau so ist, wie ich sie sehe – – wenn ich die Augen schließe. Genau so. Ein großes Netz und viele Geschöpfe darin, Fabeltiere und merkwürdige Fratzen –

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