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Hanns Heinz Ewers

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Die spinne

Abschnitt 3

6 Capítulos

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Mittwoch, den 9. März.

Also ich bin einen Schritt weitergekommen. Clarimonde –

Ach so, ich habe von Clarimonde noch nichts erzählt. Also sie ist mein »dritter Grund«, hier zu bleiben, und sie ist es auch, wegen der ich in jener »verhängnisvollen« Stunde gerne zum Fenster gegangen wäre – aber gewiß nicht, um mich aufzuhängen. Clarimonde – warum nenne ich sie nur so? ich habe keine Ahnung wie sie heißt, aber es ist mir, als müsse ich sie Clarimonde nennen. Und ich möchte wetten, daß sie sich wirklich so nennt, wenn ich sie einmal nach ihrem Namen frage.

Ich habe Clarimonde gleich in den ersten Tagen bemerkt. 

Sie wohnt auf der anderen Seite der sehr schmalen Straße und ihr Fenster liegt dem meinen gerade gegenüber. Da sitzt sie hinter den Vorhängen. Übrigens muß ich feststellen, daß sie mich früher beobachtete, wie ich sie, und sichtlich ein Interesse für mich bewies. Kein Wunder, die ganze Straße weiß ja, daß ich hier wohne und weshalb, dafür hat Frau Dubonnet schon gesorgt.

Ich bin wirklich keine sehr verliebte Natur und meine Beziehungen zur Frau sind immer sehr kärglich gewesen. Wenn man aus Verdun nach Paris kommt, um Medizin zu studieren und dabei kaum soviel Geld hat, um sich alle drei Tage einmal satt zu essen, dann hat man an etwas anderes zu denken, als an die Liebe. Ich habe also nicht viel Erfahrungen und vielleicht habe ich diese Sache ziemlich dumm angefangen. Immerhin, mir gefällt sie, so wie sie ist.

Im Anfang ist mir gar nicht der Gedanke gekommen, mein Gegenüber in irgendwelche Beziehungen zu mir zu bringen. Ich habe mir nur gedacht, da ich nun doch einmal hier sei, um zu beobachten, und sonst mit dem besten Willen nichts zu erforschen habe, so könne ich gerade so gut mein Gegenüber beobachten. Den ganzen Tag lang kann man ja doch nicht über den Büchern sitzen. Ich habe also festgestellt, daß Clarimonde die kleine Etage augenscheinlich allein bewohnt. Sie hat drei Fenster, aber sie sitzt nur an dem Fenster, das dem meinen gegenüber liegt; sie sitzt da und spinnt, an einem kleinen altmodischen Rocken. Ich habe so einen Spinnrocken einmal bei meiner Großmutter gesehen; aber die hatte ihn auch nie gebraucht, ihn nur geerbt von irgendeiner Urtante: ich wußte gar nicht, daß man heute noch damit arbeitet. Übrigens ist der Spinnrocken von Clarimonde ein ganz kleines, feines Ding, weiß und scheinbar aus Elfenbein; es müssen ungeheuer zarte Fäden sein, die sie macht. Sie sitzt den ganzen Tag hinter den Vorhängen und arbeitet unaufhörlich, erst wenn es dunkel wird, hört sie auf. Freilich wird es sehr früh dunkel in diesen Nebeltagen in der engen Straße, um fünf Uhr schon haben wir die schönste Dämmerung. Licht habe ich nie gesehen in ihrem Zimmer.

Wie sie aussieht – Ja, das weiß ich nicht recht. Sie trägt die schwarzen Haare in Wellenlocken und ist ziemlich bleich. Die Nase ist schmal und klein und die Flügel bewegen sich. Auch ihre Lippen sind bleich, und es scheint mir, als ob die kleinen Zähne zugespitzt wären wie bei Raubtieren. Die Lider schatten tief, aber wenn sie sie aufschlägt, leuchten ihre großen, dunklen Augen. Doch fühle ich das alles viel mehr, als ich es wirklich weiß. Es ist schwer, etwas genau zu erkennen hinter den Vorhängen.

Noch etwas: sie trägt stets ein schwarzes geschlossenes Kleid; große lilae Tupfen sind darauf. Und immer hat sie lange schwarze Handschuhe an, wohl um die Hände nicht bei der Arbeit zu verderben. Es sieht seltsam aus, wie die schmalen schwarzen Finger, schnell, scheinbar durcheinander, die Fäden nehmen und ziehen – wirklich, beinahe wie ein Gekrabbele von Insektenbeinen.

Unsere Beziehungen zueinander? Nun, eigentlich sind sie recht oberflächlich, und doch kommt es mir vor, als wenn sie viel tiefer wären. Es fing wohl so an, daß sie zu meinem Fenster hinübersah – und ich zu dem ihren. Sie beobachtete mich – und ich sie. Und dann muß ich ihr wohl ganz gut gefallen haben, denn eines Tages, als ich sie wieder so anschaute, lächelte sie, ich natürlich auch. Das ging so ein paar Tage lang, immer öfter und öfter lächelten wir uns zu. Dann habe ich mir fast stündlich vorgenommen, sie zu grüßen; ich weiß nicht recht, was mich immer wieder davon abhielt.

Endlich habe ich es doch getan, heute nachmittag. Und Clarimonde hat wieder gegrüßt. Nur ganz leise freilich, aber ich habe es wohl gesehen, wie sie genickt hat.

Donnerstag, 10. März.

Gestern bin ich lange aufgesessen über den Büchern. Ich kann nicht gerade sagen, daß ich viel studiert habe: ich habe Luftschlösser gebaut und von Clarimonde geträumt. Ich habe unruhig geschlafen, bis tief in den Morgen hinein.

Als ich ans Fenster trat, saß Clarimonde da. Ich grüßte und sie nickte wieder. Sie lächelte und sah mich lange an.

Ich wollte arbeiten, aber ich fand die Ruhe nicht. Ich setzte mich ans Fenster und starrte sie an. Da sah ich, wie auch sie die Hände in den Schoß legte. Ich zog an der Schnur die weiße Gardine zurück und – im selben Augenblicke fast – tat sie das gleiche. Wir lächelten beide und sahen uns an.

Ich glaube, wir haben wohl eine Stunde so gesessen.

Dann spann sie wieder.

Samstag, 12. März.

Diese Tage gehen so hin. Ich esse und trinke, ich setze mich an den Arbeitstisch. Ich brenne dann meine Pfeife an und beuge mich über ein Buch. Aber ich lese keine Silbe. Ich versuche immer wieder, aber ich weiß zuvor, daß es gar nichts fruchten wird. Dann gehe ich ans Fenster. Ich grüße, Clarimonde dankt, wir lächeln und starren uns an, stundenlang –

Gestern nachmittag um die sechste Stunde war ich ein wenig unruhig. Die Dämmerung brach sehr früh herein und ich fühlte eine gewisse Angst. Ich saß an meinem Schreibtisch und wartete. Ich fühlte einen fast unbezwinglichen Drang zum Fenster – nicht um mich aufzuhängen freilich, sondern um Clarimonde anzusehen. Ich sprang auf und stellte mich hinter die Gardine. Nie, scheint es mir, habe ich sie so deutlich gesehen, trotzdem es schon recht dunkel war. Sie spann, aber ihre Augen schauten zu mir herüber. Ich fühlte ein seltsames Wohlbehagen und eine ganz leise Angst.

Das Telephon klingelte. Ich war wütend auf den albernen Kommissar, der mich mit seinen dummen Fragen aus meinen Träumen riß.

Heute morgen besuchte er mich, zusammen mit Frau Dubonnet. Sie ist zufrieden genug mit meiner Tätigkeit, es genügt ihr vollständig, daß ich nun schon zwei Wochen lang lebe im Zimmer Nr. 7. Der Kommissar aber will außerdem noch Resultate. Ich habe geheimnisvolle Andeutungen gemacht, daß ich einer höchst seltsamen Sache auf der Spur sei; der Esel hat mir alles geglaubt. Auf jeden Fall kann ich noch wochenlang hier bleiben – und das ist mein einziger Wunsch. Nicht wegen Frau Dubonnets Küche und Keller – Herrgott, wie rasch wird einem das gleichgültig, wenn man immer satt ist! – nur wegen ihres Fensters, das sie haßt und fürchtet, und das ich so liebe, dieses Fenster, das mir Clarimonde zeigt.

Wenn ich die Lampe angesteckt habe, sehe ich sie nicht mehr. Ich habe mir die Augen ausgeguckt, um zu sehen, ob sie ausgeht, aber ich habe sie nie einen Schritt auf die Straße setzen sehen. Ich habe einen großen bequemen Lehnstuhl und einen grünen Schirm über der Lampe, dessen Schein mich warm einhüllt. Der Kommissar hat mir ein großes Paket Tabak gebracht, ich habe nie so guten geraucht – – und trotzdem kann ich nicht arbeiten. Ich lese zwei, drei Seiten, und wenn ich zu Ende bin, weiß ich, daß ich nicht ein Wort verstanden habe. Nur das Auge nimmt die Buchstaben auf, mein Hirn lehnt aber jeden Begriff ab. Komisch! Als ob es ein Schild trage: Eingang verboten. Als ob es keinen anderen Gedanken mehr zulasse als den einen: Clarimonde –

Endlich schiebe ich die Bücher weg, lehne mich tief zurück in meinen Sessel und träume.

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